Ehemalige Knabenschule
Schulen in Oestereiden (Übersicht)
1635 | Erster Hinweis auf eine Schule in Oestereiden (Testament Heinrich Köller) |
1648 | Neubau einer Schule nach Zerstörung der alten Schule in den Wirren des 30-jährigen Krieges |
1709 | Dokument beweist Bestand einer Schule (Bescheinigung Lehrer Theodor Stork) |
1799 | Mängelliste nennt schlechten Zustand der Lehrerwohnung und mangelnde Ausstattung der Schule in Oestereiden Renovierung des Schulzimmers laut Anordnung (vgl. 1799) |
1848 | Bau einer neuen Schule nach Erwerb des Krögerschen Wohnhauses mit Garten an der Bieke auf dem Tauschwege |
1857 | Angabe der Gesamtschülerzahl mit 144 Konsequenz: Trennung von Jungen und Mädchen in zwei für sich bestehende einklassige Schulsysteme. Wechselweiser Unterricht vor- und nachmittags für ein Jahr lang. |
1858 | Fertigstellung der Mädchenschule mit Lehrerinnenwohnung (Beginn des Unterrichts am 8.11.1858; Gebäude seit 1859 in Gebrauch) |
1902 | Zusammenlegung der Schulen zu einer zweiklassigen Schule auf Anweisung der Regierung unter weitgehender Beibehaltung der Geschlechtertrennung Einrichtung von 3 Klassen 1. Unterstufe (1. und 2. Jahrgang) 2. Oberstufe Mädchen (3. – 8. Jahrgang) 3. Oberstufe Knaben (3. – 8. Jahrgang) |
1936 | Aufhebung der Geschlechtertrennung und Teilung der Schule in zwei Stufen (= Klassen) 1. Unterstufe (1. – 4. Jahrgang) 2. Oberstufe (4. – 8. Jahrgang) |
1939 bis 1953 | Nach Bedarf wurde die Schule zwei- oder dreiklassig geführt. |
2.4.45 | Schließung der Schule nach der Besetzung durch die Amerikaner |
1.9./1.11.45 | Wiedereröffnung der Grundschule / der Oberstufe |
1953 | Beginn eines Schulneubaus an der Luziastraße |
1954 | Einweihung der neuen, der hl. Luzia geweihten Schule (4.10.1954) Ende des Unterrichts in der alten Knabenschule |
Früheste Dokumente
Dieses Schulhaus fiel wahrscheinlich den Wirren des 30-jährigen Krieges zum Opfer, so dass im Jahre 1648 eine neue Schule gebaut wurde. Diese befand sich südlich der Kapelle in Oestereiden und wies einen Unterrichtsraum mit einer Größe von 9 qm auf.
Eine Bescheinigung des Theodor Stork, Lehrer in Oestereiden, über den Erhalt von jährlich 18 Groschen aus der Stiftung des Schuldieners aus dem Jahre 1709 beweist ebenfalls das Vorhandensein einer Schule in Oestereiden.
Im Jahre 1829 wird das zuvor renovierte Schulhaus im Lagerbuch der Kirche Hoinkhausen etwa folgendermaßen beschrieben:
Es bestand aus Fachwerk, war 9,26 m lang, 8,64 breit und 3,93 m hoch (Traufenhöhe) und hatte 2 Stockwerke. Die Bedachung war aus Stroh.
Über dem Eingang weist die Inschrift Initium Sapientiae timor Domini, Anno 1648, den 16. Juny auf die Erbauung dieses Schulgebäudes hin.
Diese Inschrift war über über der großen Deelentür (Eingang zu einer Dreschtenne) zu finden. Auf der Westseite befand sich eine kleine Wohnstube nebst unterkellerter Schlafkammer. Über derselben war ein Bretterboden zum Aufschütten des Getreides. Der Lehrer war also auch Landwirt. Er bewirtschaftete 12 Morgen Ackerland und hatte zudem freien Viehauftrieb. Daher waren an der Ostseite des Schulhauses für ihn auch ein Kuh- und ein Schweinestall angebaut; über diese führte eine Treppe zu zwei Kammern des oberen Stockwerks der Schule und zum obersten Getreideboden. Nach Süden hin befanden sich Küche und Speisekammer des Lehrers.
Hinter seinem Wohnbereich erstreckte sich nach Süden das Schulzimmer. Es war 7,07 m lang, 6,12 m breit und 2,98 m hoch, bestand aus einem Stockwerk und hatte ebenfalls ein Strohdach.
Die Knabenschule
Das dort neu errichtete Gebäude hatte eine Länge von 20,20 m, eine Breite von 12,50 m und eine Höhe (bis zum Dach) von 6,40 m. Die Außenwände und die beiden Giebel bestanden aus Fachwerk. Das Gebäude hatte ein Ziegeldach.
Wie das alte Schulhaus wurde auch dieser Neubau ebenfalls noch als Wirtschaftsgebäude mit großer Deele u. Stallungen errichtet. Der eigentliche Schulraum wurde mit den Ausmaßen von 12 m Länge, 7 m Breite und 3 1⁄2 m Höhe an der Westseite des Hauses angebaut.
Das Schulhaus bestand also aus dem Klassenzimmer und der Dienstwohnung des Lehrers im Bereich des Wirtschaftsgebäudes.
Der zugehörige Abort bestand ebenfalls aus Fachwerk und hatte ein Ziegeldach.
Unterrichtet wurden die Jungen und Mädchen von einer männlichen Lehrperson in einer Klasse. (Gemischte Elementarschule)
Im Jahre 1857 war die Schülerzahl auf 144 angewachsen, was die Einstellung einer zweiten Lehrperson (einer Lehrerin) und den Bau eines zweiten Klassenzimmers notwendig machte. Auf Anweisung der Regierung wurden Jungen und Mädchen getrennt und für ein Jahr lang wechselweise vor- und nachmittags in getrenntgeschlechtlichen Klassen unterrichtet. Nach der Fertigstellung der Mädchenschule mit Lehrerinnenwohnung im Jahre 1858 wurden im alten Schulgebäude von 1858 bis 1902 nur die Jungen unterrichtet.
Auf Anweisung der Regierung erfolgte 1902 eine Zusammenlegung der beiden Schulen, wobei die Geschlechtertrennung z.T. beibehalten wurde. Unterricht wurde in beiden Gebäuden erteilt.
Es wurden 3 Klassen eingerichtet:
- Unterstufe mit den Jahrgängen 1 und 2, gemischtgeschlechtlich
- Oberstufe Mädchen mit den Jahrgängen 3 bis 8
- Oberstufe Knaben mit den Jahrgängen 3 bis 8
Der Unterricht für die Oberstufe Mädchen fand in der Mädchenschule statt.
In der Knabenschule hatte die Unterstufe einen eigenen Unterrichtsraum zur Verfügung. Dort unterrichteten zwischenzeitlich bis zu 3 Lehrpersonen, davon eine Lehrerin.
Im Jahre 1936 erfolgten die Aufhebung der Geschlechtertrennung und die Organisation der Schule in 2 Stufen / Klassen.
- Unterstufe mit den Jahrgängen1 bis 4 in der alten Mädchenschule
- Oberstufe mit den Jahrgängen 5 bis 8 in der alten Knabenschule
Nach der Besetzung Oestereidens durch die Amerikaner am 2.4.1945 wurde die Schule zunächst geschlossen. Die Lehrpersonen mussten sich einer politischen Überprüfung unterziehen. Den Unterricht durften sie wieder aufnehmen, wenn sie sich als unbelastet erwiesen. Am 1.9.1945 wurden dann zunächst die Grundschule, am 1.11.1945 dann auch die Oberstufe wieder geöffnet.
Ende der Knabenschule
Stark angestiegene Schülerzahlen nach dem 2. Weltkrieg, Platzmangel, Reparaturbedürftigkeit und erhöhte Anforderungen an die Ausstattung der Schulen hatten den Neubau einer Schule notwendig gemacht. Im Jahre 1953 wurde auf dem bereits zuvor erworbenen etwa 4 Morgen großen Grundstück („Cansteins Schweinewiese“) an der Luziastraße mit dem Neubau eines dreiklassigen Schulgebäudes begonnen. Dieses wurde am 4. Oktober 1954 eingeweiht. Damit endete die über 100-jährige Ära der Knabenschule.
Der Abriss wegen Baufälligkeit erfolgte – wie aus den Gemeindeprotokollen hervorgeht – vermutlich im Herbst 1970. Bis dahin wurde das Gebäude noch als Wohnhaus genutzt.
Die Schulverhältnisse
In einer Reaktion der Gemeindeväter aus dem Jahre 1801 wird u.a. auch der Schullehrer beschrieben: „Der Schullehrer ist mehr Handelsmann als ein Lehrer. Seine Hauptbeschäftigung ist nämlich Bierbrauen, Brennerei, Malzmachen, Kornhandel und Handel mit Gewürz und sonstiger Ware. Da er dazu noch ein sehr versoffenes Weib hat, so gehet derselbe seinem Handel nach und vernachlässigt das Schulwesen ganz. Statt seiner beschäftigt er seinen Stiefsohn, einen Knaben damit. Ist auch dieser wegen der Brauerei und dergleichen verhindert, so betätigt sich ein Halbbruder von 10 Jahren als Lehrer, welcher sich ein Geschäft daraus macht, mehrere Kinder aufzuschreiben, welche dann von dem eigentlichen Lehrer nach preußischer Art (mit Schlägen) abgestraft werden. Ferner ist der Lehrer bei Schmausereien und Unruhen im Dorf immer der erste mit. Obgleich derselbe sein eigenes Haus bewohnt, macht er das alte Schulhaus mit dem immerwährenden Malzmachen ganz faul und unbrauchbar. Auch vermietet es an andere zum Einfahren des Getreides. (…).“
Die Einkünfte des Lehrers bestanden im Wesentlichen aus Naturalien und dem Erlös aus seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit. Es wundert daher nicht, dass ein Lehrer auch andere Erwerbsquellen auszuschöpfen versuchte. (s.o.)
Die Anschuldigungen gegenüber dem Schullehrer erwiesen sich allerdings in einer eingehenden Revision der Schule als unhaltbar.
Die Behebung der Mängel wurde wie angeordnet vollzogen.
Schulpersonal
1685 | Schullehrer Heinrich Vogelsang und Gertrud Schrewen |
1701 | Theodor Stork und Elisabeth Möllers |
1727 | Johann Friedrich Degenhardt (aus Oberhenneborn) und Anna Maria Stork |
1745 – 1750 | Heinrich Anton Gockele (aus Geseke) und Witwe Anna Elisabeth Kükenfent |
1751,52,ff – ? | Joan Georg Nüse (aus Störmede) |
1758 – 1791 | Theodorus Grothaus |
1786 -? | Johann Theodor Roufaut (aus Westönnen) und Witwe Caroline Schulze (aus Hoinkhausen) |
1806 – 1808 | Dr. Petrus Esch (nachher Konrektor in Geseke) und Maria Agnes Hillebrand (aus Geseke) |
1809 – 1814 | Franz Hoffmann (aus Nuttlar) und Gertrud Meinold-Corporals |
1814 – 1874 | Bernhard Hohmann und Maria Henne (beide aus Altenrüthen) |
1885 – 1899 | Hermann Hohmann und Anna Meßler (aus Langenholthausen) |
1899 – 1900 | Joseph Schühnagel (aus Schalke) |
1900 – 1904 | Johannes Beule (aus Elspe) |
1904 – 1942 | Florenz Senge (aus Brunskappel) |
1943 | Wilhelm Nathrat (aus Bottrop) |
1944 | Friedrich Singer (aus Dortmund) abgeordnet |
1945 | Friedrich Gens (aus Dortmund) abgeordnet |
Ab 2.11.1945 | Wilhelm Hültenschmidt und Maria Pieper-Hunold (aus Bökenförde) |
Als 3. Lehrkraft wurden eingesetzt:
1947 – 1950 | Wilhelm Schrick |
1950 – 1954 | Bernhard Schulte |
1954 – 1955 | Otto Jacobi |
Lehrerinnen (an der Mädchenschule)
1858 – 1876 | Anna Katharina Meßler |
1876 – 1899 | Elisabeth Stamm |
1899 – 1920 | Fräulein Langensiepe |
1920 – 1926 | Hedwig Fantini |
1926 – 1930 | Klara Hesselmann (aus Walstedde) |
Ab 1930 | Maria Genau (aus Lawau/Posen) |
Kurzzeitig beschäftigt:
1933 – 1935 | Theresia Jäger (aus Oestereiden) als Hilfslehrerin |
1942 – 1943 | Hannelore Grigat |
1945 | Maria Laaser |
verantwortlich für den Text: Engelbert Fromme
Quellen:
Stadtarchiv Rüthen, Lagerbuch Oestereiden Bd. 2 (1913)
Stadtarchiv Rüthen, Schulchronik Oestereiden
Heinrich Schlootkötter und Wilhelm Hültenschmidt, Geschichte des Kirchspiels Hoinkhausen, S. 280 ff
Friedhelm Sommer, Archivar der Stadt Rüthen, Schulgebäude und -verhältnisse in Oestereiden, Unveröffentlichtes Manuskript 2019